Aus Grau
wird Grün

Im folgenden Teil zeigen wir einige der unendlich vielen Ideen zu dieser Herausforderung, denn man findet sie auf der anderen Seite des Erdballs oder gleich um die Ecke. Manche Visionen werden von öffentlicher Hand realisiert, aber auch jeder Einzelne kann in seinem Vorgarten, auf seinem Dach, in seiner Straße oder in seiner Nachbarschaft mithelfen, den eigenen Lebensraum klimaresilienter zu machen und damit eine lebenswertere Zukunft für alle
zu gestalten.

„Das Gebäude ist
ein Prototyp für
das Zusammen-
leben von Mensch
und Natur.“
Stefano Boeri
Architekt des „Bosco Verticale“
Foto: © Daniel Seßler, Unsplash
1 Mailand Senkrechte Gärten
Der „Bosco Verticale“ (senkrechter Garten) in Mailand (Italien) besteht aus zwei begrünten Wohntürmen mit 19 und 27 Etagen. In 1,3 Meter tiefen Betonwannen wurden insgesamt 900 Bäume und mehr als 2.000 weitere Pflanzen gesetzt, die sowohl das Mikroklima der Wohnungen als auch der Umgebung der Häuser verbessern.
Foto: © Nikolai Benner, GREENBOX
2 Essen Begrüntes Welterbe
Der neue Firmen- und Stiftungssitz der RAG auf dem Zollverein- Gelände in Essen zeichnet sich durch seine besondere Gestaltung und Nachhaltigkeit aus. Das Dach ist begrünt und begehbar.

Das Besondere aber sind die Baustoffe: „Cradle to Cradle“, über­-setzt „Wiege zu Wiege“, heißt das Nachhaltigkeits-Prinzip, das sinnbildlich zum Strukturwandel des Welterbes Zollverein passt. Es bedeutet, dass alle Baumaterialien bei Abriss oder Umbau wiederverwendet bzw. -verwertet werden können.
Foto: © Silvan Bachmann, Alamy Stock Foto
3 Darmstadt Ein Gebäude im Einklangmit der Natur
Die „Waldspirale“ mit 105 Wohnungen in Darmstadt zeichnet sich durch eine einzigartige Architektur und die harmonische Integration von Natur und Kunst aus. Entworfen vom österreichischen Künstler und Architekten Friedensreich Hundertwasser, wurde die Waldspirale zwischen 1998 und 2000 erbaut und gilt heute als ein bemerkenswertes Beispiel für kreativen Wohnungsbau und umweltbewusste Architektur. Ein zentrales Merkmal ist die Begrünung des „lebendigen“ Daches. Ziel des Architekten war es, ein Gebäude zu schaffen, das im Einklang mit der Natur steht und den Menschen inspiriert.
4 Rotterdam Landidylle in urbanem Kontext
Im Rotterdamer Stadtteil Delfshaven (Niederlande) findet man seit über zehn Jahren den größten Dachpark Europas, mit 1,2 Kilometern Länge und 80 Metern Breite. Die grüne Oase mitten in der Stadt ist in 9 Metern Höhe auf einem ehemaligen Eisenbahngelände entstanden. In dem darunterliegenden Gebäude befinden sich Geschäfte.

Die Pflege des Nachbarschaftsgartens, der einen großen Teil des „Dakparks“ ausmacht, wurde von einer Foundation aus Freiwilligen und Anwohnern übernommen. Hier gibt es Schafe, Hühner, Gemüsegärten, Obsthecken, einen Erlebnispfad und Aufenthaltsorte zum gemeinsamen Kochen.

Gemeinsam erhalten und pflegen

Jeder Gast ist willkommen, hier mitzumachen. Das ganze Jahr hindurch gibt es Workshops und Veranstaltungen. Das Ziel lautet, „Stadtnatur mit und für die Bewohner von Delfshaven und Besucher des Dakparks zu erleben, zu verarbeiten, zu initiieren und weiterzuentwickeln“. Die Nachbarschaftsinitiative kümmert sich in Eigenverantwortung darum, dass alles gepflegt wird und erhalten bleibt.

„Die Skyfarm bietet eine dringend benötigte Plattform in der Innenstadt für Interaktion, Bildung und Geschichtenerzählen über die Wunder der Natur.“

Bjarke Ingels
Architekt des CopenHill-Gebäudes
Foto: © iStock, fanswillemblok
5 Düsseldorf Kein Müllbeim Abriss
Mehr als die Hälfte des weltweiten Abfalls wird durch die Baubranche produziert. Dagegen steht das in der innovativen Baubranche angewandte sogenannte Cradle-to-Cradle®- Prinzip. Hier werden die meisten beim Bau genutzten Stoffe wieder­verwendet. Bei einem möglichen späteren Abriss entsteht praktisch kein Müll, da vieles recycelt und in anderer Form wieder nutzbar gemacht werden kann.

Ein komplettes Kreislaufsystem

Mit „The Cradle“ wurde im Dezember 2023 das erste Holzhybridbürogebäude in Düsseldorf fertiggestellt. Im Sinne des Cradle-to-Cradle®- Prinzips wurde bereits in der Planung darauf geachtet, dass sich ein Großteil der eingesetzten Materialien später kreislaufgerecht rückführen lässt.

Die integrale rautenförmige Holzfassade verleiht dem Gebäude nicht nur seine prägnante Identität, sondern übernimmt auch weitere Funktionen: vom Tragwerk über den Sonnenschutz bis hin zur Loggia. Insgesamt wurden rund 2.150 Kubikmeter Holz aus nachhaltiger europäischer, größtenteils deutscher Forstwirtschaft verbaut. Generell wurden die Materialien nach der Prämisse „sortenrein, giftfrei und demontierbar“ ausgesucht.

Luftreinigende Begrünungen gibt es auf den Büroetagen und auf dem Dach. Zudem erzeugt das Gebäude mit Photovoltaik-Modulen eigenen Strom, der das Gebäude und den dazuge- hörigen Mobility Hub versorgt.

Gut für die Natur, das Stadtklima und die Menschen, die hier miteinander arbeiten.
Foto: © Ralph Richter
6 Melbourne Innovative Flächenutzung mitten in derGroßstadt
Landwirtschaft inmitten einer 5-Millionen-Einwohner-Stadt? Mit der „Skyfarm“ in Melbourne (Australien) wird ein 2.000 Quadratmeter großer Dachparkplatz einfach mal in einen Bauernhof verwandelt.

Hier haben sich mehrere Nachhaltigkeitsunternehmen zusammengetan und eine grüne Oase im aufstrebenden Seafarer-Viertel mit direktem Blick auf den Yarra River geschaffen.

Ein Bauernhof im Baukastensystem

Die „Farm“ besteht aus sogenannten „FoodCubes“. Das sind speziell entwickelte Kastensysteme, die Lebensmittelanbau an ungenutzten Stellen in Innenstädten ermöglichen sollen. Diese „Urban-Farming-Systeme“ werden aus recyceltem lebensmittelechten Kunststoff hergestellt und haben das Potenzial, 20 kg Obst und Gemüse pro Quadratmeter und Jahr zu produzieren. Die Erträge werden karitativen Organisationen zur Verfügung gestellt und im Skyfarm-Café verarbeitet.

Gleichzeitig ist der Dachgarten ein Bildungsraum für nachhaltiges Leben, innovative Designlösungen, Stadtbegrünung und städtische Biodiversität.
Foto: © MidJourney
7 Barcelona ErweiterteWohnzimmer
In den sogenannten „Superblocks“ in Barcelona (auf Katalanisch „Superilles“) wurden bis zu neun Häuserblocks zu verkehrsbe­ruhigten Zonen zusammengefasst. Innerhalb dieser Superblocks haben Fußgänger und Fahrradfahrer Vorrang. Bei zweispurigen Straßen wird den Autos eine Spur weggenommen: Kinder können hier spielen, Anwohner auf neu errichteten Parkbänken zwischen Pflanzenkübeln Kaffee trinken und plaudern.
Die Straßen werden zum erweiterten Wohnzimmer. Insgesamt sollen 503 (!) Superblocks in Barcelona entstehen, 60 % der bisher von Autos genutzten Straßen würden dadurch für andere Nutzungen frei werden. Eine aktuelle Studie des Gesund­heits­instituts BCNecologia Barcelona zeigt, welche positiven Auswirkungen die Umsetzung hätte: Demnach würde die Lebenserwartung der Bewohner im Durchschnitt um fast 200 Tage steigen. Trotzdem werden die Maßnahmen auch kritisch gesehen. Vielen Anwohnern und Unternehmern ging die Umgestaltung zu schnell, zu radikal. Die Bodenmarkierungen passten in den Augen mancher Anwohner nicht zum kulturellen Erbe des Stadtteiles und Einzelhändler klagen über weniger Umsatz. Durch politischen Wechsel im Rathaus und diverse Rechtsstreits ist die Umgestaltung weiterer Viertel in „Superblocks“ zunächst ausgesetzt.
Foto: © imageBROKER.com GmbH & Co. KG / Alamy Stock Foto

„Architektur ist die Kunst und Wissenschaft, sicherzustellen, dass unsere Städte und Gebäude zu der Art und Weise passen, wie wir unser Leben leben möchten.“

Bjarke Ingels
Architekt des CopenHill-Gebäudes
8 Kopenhagen Skifahren auf dem Fabrikdach
Die dänische Hauptstadt Kopenhagen betreibt das ehrgeizige Ziel, im Jahr 2025 die erste Null-Emissions-Stadt der Welt zu sein. Eines der spektakulärsten Projekte dieser Zielsetzung ist der 2019 eröffnete „CopenHill“ – eine Ski- und Freizeitanlage auf dem Dach einer Müllverbrennungsanlage.

Die „Waste-to-Energy“-Anlage auf der Insel Amager direkt gegenüber der City gehört zu den modernsten und energieeffizientesten der Welt. Hier werden Wärme und Elektrizität durch die jährliche Verbrennung von 444.000 Tonnen Stadtabfall produziert. So werden täglich 150.000 Haushalte in Kopenhagen mit Strom und Fernwärme versorgt.


Mit dem einzigartigen Entwurf des Architekturstudios Bjarke Ingels (BIG) wurde der neu entstandene „Berg“, dessen Stahlelemente die gesamte Anlage überziehen, zu einem neuen Freizeitziel in der Stadt. Schneefreies Skifahren ist ganzjährig auf drei verschiedenen Abfahrten auf der 450 Meter langen Dachschräge mit Synthetikboden möglich. Im flachen Dänemark ist dies sogar die einzige Pistenabfahrt, denn „Hill“ ist hier eigentlich ein Fremdwort. Stilecht gibt es auch einen Tellerlift, einen Ski- und Snowboardverleih und eine Après-Ski-Bar.

An der senkrechten Seite wurde mit 85 Metern die welthöchste Kletterwand errichtet, daneben gibt es einen Crossfit-Bereich und einen Park zum Spazierengehen. Dieser bietet eine grüne Oase mit Lebensraum für Vögel, Insekten, Blumen und Menschen. Von der Dachbar aus genießt man die Aussicht auf die Stadt und das glitzernde Wasser des Øresunds.

Eine Einladung an die Bürger

Die silbrig glänzende und begrünte Fabrikanlage wirkt nicht etwa schmutzig oder gefährlich, stattdessen lädt sie dazu ein, sich hier aufzuhalten und Spaß zu haben. Sie ist nicht irgendwo am Stadtrand versteckt, sondern wird als ein weiteres urbanes Wahrzeichen in das Stadtbild Kopenhagens integriert. Architekt Bjarke Ingels nennt sein Konzept „Hedonistische Nachhaltigkeit“. Das bedeutet, Verbesserungen für die Umwelt mit gleichzeitigen Verbesserungen für die Menschen zu schaffen.

Im Inneren macht ein gläserner Aufzug die komplizierte Struktur der Fabrik mit Stegen, Röhren und Kesseln sichtbar. Schülerinnen und Schüler können hier und im dazugehörigen Umweltbildungszentrum lernen, wie ihr eigener Müll weiter­verarbeitet wird. Das 600 Quadratmeter große Bildungszentrum wird für Nachhaltigkeitskonferenzen, Führungen und Workshops genutzt.

Kopenhagen fördert konsequent nachhaltige Stadtentwicklung durch die öffentliche Hand. Hierbei steht immer im Fokus, dass der öffentliche Raum eine lebenswerte und nachhaltige Einla­dung an alle Bürgerinnen und Bürger sein soll.
Foto: © Press/CopenHill, Ehrhornhummerston
Foto: © Press/CopenHill, Ehrhornhummerston
Foto: © Rizvi Rahman, Pexels
„Von der gefährlichsten zur umwelt-
freundlichsten Stadt.“
Quelle: goodimpact.eu
9 Medellín Grüne Korridore in Straßen-schluchten
Medellín, mit 2,6 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt Kolumbiens (Südamerika), wurde 2012 vom Wall Street Journal zur innovativsten Stadt der Welt ernannt. Durch infrastrukturelle und bildungspolitische Maßnahmen ist es gelungen, die seit den 90er Jahren extrem hohe Kriminalitätsrate erfolgreich zu senken.

Heute ist es das Ziel der Stadtverwaltung „die grünste Stadt Südamerikas“ zu werden. Bis 2030 will die Stadt dafür ihre CO2-Emissionen um 20 % verringern, öffentliche Verkehrsmittel komplett elektrifizieren und 50 % mehr Radwege bauen.

Temperatursenkung um –2 °C Grad erreicht

Im Jahr 2016 startete die Stadt ihr 16,3-Millionen-Dollar-Projekt „Grüne Korridore“, bei dem ein zusammenhängendes Netzwerk von Grünflächen in der Stadt geschaffen wurde. Die Auswirkun­­gen sind jetzt schon messbar: Die Spitzentemperaturen im Sommer in Medellín sind bereits um 2 °C bis 3 °C gesenkt worden. Denn obwohl das Stadtklima meist frühlingshaft mild ist, kann es teilweise bis zu 38 °C heiß werden.

Umgesetzt wurde das Begrünungsprojekt mit 8.300 Bäumen und mehr als 350.000 tropischen Pflanzen, die entlang 18 ausgewählter Straßen und 12 Bachläufen gepflanzt wurden. Bestehende Grünflächen wurden verknüpft und neue erschaffen. So entstanden ein 20 Kilometer langer Korridor aus schattigen Wegen und rund 100 neue Parks. Mittels der Beschattung konnte die Bodentemperatur auf Betonflächen sogar um 12 °C gesenkt werden.

Die Stadt wurde für ihr Konzept der „grünen Korridore“ sowohl 2013 als auch 2019 mehrfach ausgezeichnet. In den kommenden Jahren soll sich der „Hitzeinsel-Effekt“ in der Innenstadt Medellíns noch um weitere 4 bis 5 °C reduzieren.

Teilen der Bevölkerung geht der Wandel jedoch nicht weit genug, denn Armut und Gewalt sind nach wie vor dringende soziale Probleme. International gilt das Projekt jedoch als eines der wichtigen Vorbilder für Temperatursenkungsmaßnahmen in Ballungsräumen.
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10 Dortmund Ein Zukunftsbild für die Nordstadt
Dortmunds Nordstadt ist für vieles bekannt, unter anderem auch für die erfolgreiche Teilnahme am drei­jährigen Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung: „iResilience“. Bürgerbeteiligung wird hier großgeschrieben, um eine klimarobuste Zukunftsvision für Dortmunds Hafenquartier zu entwickeln.

Verschiedenste Angebote wie Sprühkreide-Aktionen, digitale Ideensammlungen anhand von Online-Karten, Quartiersrundgänge, digitale Themenabende im Rahmen der Klima-Woche oder organisierte Fachvorträge von Expertinnen und Experten zu den Themen Hitze und Urbanes Grün wurden im Vorfeld durchgeführt.

Anhand digitaler Karten wurden Worst-Case-Szenarien für Hitze­inseln und Überflutungsstellen errechnet, um so besonders schützenswerte Räume im Viertel zu identifizieren. Daraufhin wurden viele Einzelmaßnahmen angestoßen, hier ein kleiner Überblick:
Wassertanken
Das sind von einem Dortmunder Studenten entwickelte Wassertanks, die an Fallrohren von sozialen Einrichtungen installiert werden, um mit dem aufgefangenen Regenwasser das umliegende Grün zu bewässern.
Hinterhöfe
Es gibt Förderungsprogramme auf Bundesebene und Kommunaler Ebene, die Gelder zur Verfügung stellen, mit denen Innenhöfe entsiegelt und begrünt werden können. Der Austausch darüber findet auf Nachbarschaftsfesten und „Hafenspaziergängen“ statt.
Baumscheiben-patenschaften
Mit der „Nordstadt natürlich!“-Initiative engagieren sich Ladenbesitzer und Privateigentümer für die Pflege und Bepflanzung der Baumscheiben unmittelbar vor ihren Häusern
iresilience-klima.de

Ein Ort
mit Strahlkraft.