Hinter den Kulissen

Vielleicht kennt man die eine oder den anderen schon persönlich von einem Besuch an einem der 21 Markttage: Die Menschen hinter den Theken der Marktstände in Bochum, teilweise lang geführte Familientraditionen oder mutige Neugründungen. Immer haben sie ein offenes Ohr für einen Plausch, sind Expertinnen und Experten für ihre Produkte und verraten die besten Zubereitungstipps für ihre Waren.

Felix Bontrup
Fleisch, Geflügel und Eier

Der auffallend große rote Verkaufswagen ist eine feste Institution auf Bochumer Märkten. Nicht nur für Geflügel, Wild, Eier oder andere Produkte vom Land, sondern auch für eine umfassende und nette Beratung direkt vom Fachmann. Felix Bontrup ist gelernter Koch und kann dem Kunden gleich das richtige Rezept mit auf den Weg geben – und zwar immer mit einem Lächeln.

„Es fühlt sich toll an, Teil einer Familientradition zu sein, die bereits seit über 65 Jahren besteht“, sagt Felix Bontrup, der schon als Kind mit auf den Marktständen seiner Eltern dabei war. Mit 16 Jahren machte er eine Ausbildung zum Koch im Münsterland und stieg dann in das Familiengeschäft ein.
Um die Tradition weiterzuführen, nimmt er einiges in Kauf: mehrmals in der Woche um 4:00 Uhr morgens aufstehen, die Kühlung des Wagens anstellen, diesen mit Waren bestücken und anschließend (von Lüdinghausen) über eine Stunde lang nach Bochum zum Wochenmarkt fahren. Ab 7:00 Uhr berät der Händler dann mit seiner Expertise die Kundschaft.

Die Empfehlung zum Selberkochen

Seine klare Empfehlung: „Die Menschen sollten öfters etwas Gutes auf dem Markt kaufen und selbst kochen. Dadurch unterstützt man die lokale Wirtschaft und weiß auch genau, was auf dem Teller ist. Viele Leute greifen heute auf Fertigprodukte zurück, aber das ist nicht der richtige Weg. Man sollte sich mit dem Essen auseinandersetzen. Es lohnt sich zum Beispiel, ein ganzes Tier zu kaufen, wenn man flexibel ist und alles verarbeitet, nicht nur das Bruststück. Wir können es direkt vor Ort zerlegen.“
Der 32-Jährige kennt sich aus. Er legt sehr viel Wert auf die Qualität und Haltung der Tiere, um den Kunden den bestmöglichen Geschmack zu bieten, weswegen er hochwertiges Fleisch aus der Umgebung und exklusives Bio- und Freilandgeflügel aus Frankreich bezieht. „Als Händler habe ich gegenüber den Kunden eine Verantwortung“, erläutert Felix Bontrup. Neben Fleisch gibt es in dem roten Verkaufswagen auch noch Selbstgemachtes wie Marmelade, Plätzchen und Eierlikör zu kaufen. Die Kinder kommen bei ihm auch nicht zu kurz, denn sie erhalten stets ein Stück Fleischwurst oder Obst. Nicht nur deswegen ist Felix Bontrup eine feste Institution auf den Bochumer Wochenmärkten.

„Man sollte sich
mit dem Essen
auseinander-
setzen.“

Christine und
Doreen Schäpers
Blumen

Wie die Mutter, so die Tochter: Der Name Schäpers steht auf dem Wochenmarkt für frische Blumen, bunte Farben und ein saisonales wie vielfältiges Sortiment. Seit 22 Jahren ist Christine Schäpers auf den Bochumer Wochenmärkten bekannt und beliebt.

Über die Familie ihres Mannes ist sie nach einer Ausbildung im kaufmännischen Bereich in den Blumenhandel eingestiegen. Dabei konnte sie auf die große Erfahrung ihrer Familie zurückgreifen, die eine langjährige Gärtnertradition hat. Jetzt ist bei Schäpers selbst die neue Generation dran.

Doreen ist auf dem Markt groß geworden

Christine Schäpers hat zwei Töchter. „Anfangs, als die Kinder noch in den Kindergarten und zur Schule gegangen sind, habe ich an der Tätigkeit auf dem Markt sehr geschätzt, dass ich ab 14:00 Uhr Zeit für die Kinder hatte“, sagt sie. 

Mit der Zeit haben beide Töchter sehr großes Interesse am Markt entwickelt und ab dem 14. Lebensjahr ist Doreen samstags immer dabei gewesen. Sie ist auf dem Markt groß geworden und mit ihrer Schwester zusammen schon im Alter von 17 Jahren auf dem Stand eingesprungen.

Aufgrund der vielfältigen Erfahrungen im Jugendalter hat Tochter Doreen keine speziellen Tipps von ihrer Mutter gebraucht, als sie im November 2021 ihren eigenen Stand aufgemacht hat.

„Um 4:30 Uhr
packen alle
mit an.“

Mit der Zeit haben beide Töchter sehr großesDoreen, die einen Masterabschluss in Management & Economics gemacht hat, steht jetzt mit ihrem Lebensgefährten Nico Przibylla auf eigenen Beinen. „Die Kunden können bei uns auf die gewohnte Qualität vertrauen“, versichert sie.

An der Tätigkeit auf dem Markt schätzen Christine und Doreen Schäpers vor allem die Nähe zum Kunden. „Oftmals kennt man den ersten und letzten Kunden“, so Christine. „Außerdem ist es einfach eine besondere Atmosphäre, wenn man um 4:30 Uhr seine Kollegen beim Sonnenaufgang begrüßt, alle hilfsbereit sind und auch mal mit anpacken.“

Eine Besonderheit an beiden Marktständen sind selbstgebundene Sträuße. Durch Kontakte auf dem Markt haben die Schäpers auch schon die ersten Aufträge in der Eventfloristik – der Dekoration für Hochzeiten und Geburtstage – bekommen.

Familie Ekin
Obst, Gemüse und
libanesische Spezialitäten

„Ohne die
Großfamilie
geht nichts.“

Der freitägliche Moltkemarkt wäre ohne Familie Ekin nicht mehr vorstellbar. Vom ersten Tag dieses Feierabendmarktes an sind sie dabei. Voller Herzlichkeit und Charme bietet Ahmad seit zehn Jahren den Marktbesuchern und -besucherinnen Obst zum Probieren an – immer hat man mehr im Korb, als eigentlich auf dem Zettel steht, immer ist alles köstlich und frisch.
Der 40-Jährige ist nicht der Chef, auch wenn viele das denken. Es gibt keine Hierarchie bei den Ekins. Es ist ein Familienbetrieb, mit einem starken Familienrat, alles wird diskutiert und gemeinsam entschieden. Alles, bis auf den Anfang der Erfolgsgeschichte, da überrumpelten Ahmad und seine Mutter den Vater, indem sie kurzerhand einen 7,5-Tonner kauften, während er verreist war. Mutter und Sohn entschieden, die Branche zu wechseln – weg von Gebraucht- und Antikwaren hin zu frischen Lebensmitteln. „Gegessen und getrunken wird immer.“ Ohne die Großfamilie geht dabei allerdings nichts: Ein Teil seiner elf Geschwister, zahlreiche Nichten und Cousinen helfen Woche für Woche mit. Und immer dabei: seine Eltern. Wenn Ahmad das allseits präsente Gesicht des Standes ist, seine Mutter ist die Hauptfigur, das Herz des Betriebes.
Der Duft von Falafeln und Taboulé zieht über den Markt.

Frau Ekin hat nach kurzer Zeit auf dem Moltke Markt begonnen, libanesische Köstlichkeiten nach eigenen Rezepten anzubieten. Wie man Selbstgekochtes auf einem Markt präsentiert und was man dabei beachten muss, war ein Lernprozess. Ein überaus erfolgreicher, wie die Schlangen belegen, die sich freitags in der Abendsonne bilden. Sie kann es bis heute nicht lassen, selbst am Stand zu stehen. Es macht ihr zu viel Freude, Menschen zu bekochen – und tatsächlich ist sogar der Umsatz besser, wenn Mutter Ekin da ist. Wenn mal etwas übrig bleibt, spendet die Familie alles an Menschen, die es brauchen können. Hier existiert ein privates Netz an Kindergärten und Familien aus der Umgebung, die den Ekins am Herzen liegen.
Die Tage beginnen früh, sonntags und montags ist frei, dienstags und freitags wird die Ware in Frischezentren und bei Bauern eingekauft, mittwochs und donnerstags stehen sie in Gelsenkirchen und Essen, freitags dann in Bochum, samstags wieder in Essen. Viel Arbeit ist das, aber auch stets Unterhaltung. “Den Menschen nah sein wollen“, das spürt man, wenn man Ahmad zuhört.

Gunnar Grunz
Oliven

„Auf unseren
Ständen ist die
Stimmung immer
großartig.“

Vom Mittelmeer ins Münsterland

Gunnar Grunz ist eigentlich Zimmermann. Der heute 43-Jährige reiste nach seiner Ausbildung durch Teile Deutschlands. Er wollte sich alles anschauen, alles lernen, was mit Holz zu tun hat, um sich dann selbstständig zu machen. Aber … die Baubranche lag 2004 darnieder, keine gute Zeit, um durchzustarten. Also jobbte er bei seinem Stiefvater Martin auf dem Markt am Olivenstand, der schon seit 1986 existierte. Parallel dazu machte er seinen Kaufmann. Von Anfang an liebte er das Verkaufen, das Draußen sein, den Kontakt zu den Menschen, die direkte gegenseitige Wertschätzung.

Die Begeisterung war so groß, dass er 2007 dann komplett eingestiegen ist. 2009 wurde aus dem Einzelunternehmen dann die Olivenstand GmbH, drei Jahre später holte er seinen Bruder Malte mit an Bord.

Gemeinsam machten sie daraus eine beeindruckende Erfolgsgeschichte hin zu einem mittelständischen Familienbetrieb mit 45 Mitarbeiter*innen. Eingelegte Oliven, feinste Essigsorten, Olivenöle, Antipasti, Cremes und noch so einiges mehr bieten die Brüder nun auf rund 25 Märkten im Münsterland und nördlichen Ruhrgebiet an. Einen Onlineshop gibt es auch und die neue Firmenzentrale in Senden ist nach ökologischen Standards gebaut. Alle Nachhaltigkeitsthemen liegen Gunnar am Herzen – wie auch seinen Kund*innen. Plastikver-packungen sind vielfach Weckgläsern gewichen, oder die Kund*innen bringen selber Behältnisse mit – Plastik nur noch, wenn gar nicht anders möglich.

Gunnar Grunz liebt seine großartigen Produkte und kann alles über deren Herkunft, die Lieferketten und die Zutaten berichten. Sämtliche Spezialitäten werden nach eigenen Rezepturen selbst eingelegt und in liebevoller Handarbeit zubereitet.

Frische und Qualität stehen dabei an oberster Stelle, keine Konservierungsstoffe, Geschmacksverstärker oder Ähnliches werden hinzugefügt. Er und sein Bruder reisen immer wieder durch die verschiedensten Länder und suchen nach neuen Produkten und Lieferanten. Wenn die Qualität stimmt, kommt es oftmals zu langjährigen Verträgen mit den Lieferanten. Aus dem persönlichen Kontakt entstehen Vertrauen und Freundschaften. Das Firmenmotto lautet passend dazu „Über Geschmack lässt sich streiten, über Qualität nicht“.

Aber nichts geht ohne die Menschen in der Produktion und am Stand. Einige Mitarbeiter sind seit über 20 Jahren dabei. Die Stimmung ist großartig und das merken auch die Kund*innen. Vermehrt beobachtet Gunnar Grunz junge Menschen als neue Kundschaft, interessiert daran, wo das Essen herkommt. Ein Markt wertet für ihn eine Stadt auf, es ist ein Lebensgefühl, das vermittelt wird, und es zieht interessante Menschen an.

Er zögert bei der Frage, wie er denn seinen Beruf bezeichnen würde. Marktbeschicker, Kaufmann – nein, eigentlich ist es mehr: Es ist ein Lebenswerk, gespickt mit viel Liebe zur Qualität.

Ein Ort
mit Strahlkraft.