Ist ein Leben
ohne Bücher
lebenswert?

Die Relevanz des Buches in unserer Gesellschaft ist ungebrochen.

Fotos:
Robert Wiesenhütter
Ryan Jacobson
Emre Dörter Photography

Stadtbibliothek
des Jahres 2013

Die Stadtbibliothek Stuttgart ist bekannt für ihr Glasdach und die vollkommen in Weiß gehaltenen Galerien im Innenraum. Sie ist das Werk des koreanischen Architekturbüros Eun Young Yi und wurde 2011 feierlich eröffnet.

Das Buch als ein Konzept der Kultur- und Kommunikationstechnik wandelte sich im Laufe der Zeit von Steintafeln, Schriftrollen, Kodexen und gedruckten Werken bis hin zum E-Book. Die Entwicklung des Buchdrucks um 1455 veränderte die Welt und führte zu einer nie dagewesenen Verbreitung von Wissen. Mit der breiten Alphabetisierungswelle des 19. Jahrhunderts in den Industriestaaten fanden auch die nicht bürgerlichen Schichten Zugang zu Bildung und Informationen.

Analog oder digital?

Auch vor dem Hintergrund der Digitalisierung verliert das Buch nichts von seiner Bedeutung als kulturelles Gedächtnis. Obwohl Google seit 2004 mit dem Projekt „Google Books“ das Ziel hat, alle gedruckten Bücher in Volltextsuche durchsuchbar zu machen, und mit über 30.000 Verlagen weltweit kooperiert, gibt es nach wie vor rechtsgeschützte Werke und Textstellen. Der Anteil der E-Books bei den verkauften Büchern lag 2020 bei um die 5 % mit einem Umsatz von 38 Millionen Euro.

Bevorzugt werden immer noch haptische Bücher aus Papier, zum Anfassen, zum Riechen, zum Umblättern, zum Mitsichtragen, zum Stellenmarkieren, zum Behalten, zum Als-Geschenk-Einpacken, zum Ins-Regal-Stellen, zum In-der-Sonne-Lesen, zum Wissen, wo man war, und als stets sichtbarer Teil der eigenen Lebensgeschichte. Unlöschbar.

Bücher geben Orientierung

Sachbücher und Ratgeber werden seit den letzten Jahren immer erfolgreicher. Sie bieten Informationen und Orientierung, um gesellschaftliche, medizinische, politische und philosophische Sachverhalte besser verstehen zu können. Gerade bei den heutigen schnelllebigen Diskussionen in Talkshows und sozialen Medien liefern Bücher die Möglichkeit der vertieften Auseinandersetzung.

Die für den Sachbuchpreis 2022 nominierten Bücher behandeln nahezu alle die Debatten unserer Zeit, ohne dabei eine absolute Wahrheit liefern zu wollen, sondern mit der Prämisse, den Leser durch Informationen zum Weiterdenken zu befähigen. Vor dem Hintergrund der politischen Weltlage sind momentan Buchproduktionen mit historischem Hintergrundwissen sehr erfolgreich, da sie bei der Einordnung der aktuellen Ereignisse helfen können. Denn auf gewisse gesellschaftliche und politische Fragestellungen hat Netflix keine Antwort.

Slow Reading

Seit einiger Zeit nimmt die Fähigkeit, einen sogenannten „Ganztext“ ohne Bilder von vorne bis hinten durchzulesen, mehr und mehr ab, da die Aufmerksamkeitsspanne durch digitale Sehgewohnheiten allgemein kürzer geworden ist. Die Lektüren im Deutschunterricht der Schulen werden immer dünner, die Lesekompetenz ebbt ab. In „Slow Reading Clubs“, beispielsweise in Wellington, Neuseeland, die eigentlich nichts anderes als die guten alten Lesezirkel sind, trifft man sich, um gleichzeitig in einer ruhigen, konzentrierten Atmosphäre in dicken Büchern zu lesen. Für diese Nutzung des Buches können Büchereien nach wie vor den idealen Raum bieten.

Natürlich kann man ohne Bücher „überleben“, jedoch ist das Buch als existenzielles Kulturgut nach wie vor unersetzlich, als kollektiver intellektueller Speicher genauso wie als Grundlage der Welterklärung, zeitenübergreifender Identifikationsraum und Lebendighalter der Sprache und des Denkens.

Beyazıt State Library – Tabanlioglu Architects – Istanbul Der Ansatz der „minimalen Intervention“ stellt sicher, dass der Geist des Ortes erhalten bleibt, während moderne Einrichtungen in die historische Struktur integriert werden.

Ein Ort
mit Strahlkraft.